Was uns nicht sofort tötet, das frisst uns langsam auf, kaut und schluckt, stößt auf und kaut erneut auf uns herum, bis alle Fasern fein zermahlen sind und jeglicher Inhalt Zersetzung gleicht.
Er starrte vor sich hin. Leere in seinen Augen, leere in seinem Kopf. Da war nichts, nur grauer Nebel. Und dieses Nichts schmerzte ihn. Kein Brennen, wie Salz in dem klaffenden Spalt einer von Wut zerrissenen Haut. Kein Ziehen, wie die Verschlingung krampfender Därme nach einem zu großen Schluck gelösten Rattengiftes. Kein dumpfes Hämmern, wie bei den Schlägen von schwerem Holz gegen einen dafür zu weichen Kopf. Und auch kein Stechen, wie beim Stauchen des Rückgrates nach dem Stoß vom Dach.
Das Nichts schmerzte grau und hohl und stumm und kalt und bitter und in all seiner Trivialität auf eine Schwindel erregende Art. Nicht sonderlich auffällig, aber nachhaltig. Er musste würgen, übergab sich, spie etwas von diesem Nichts auf den Boden unter seinen Füßen, betrachtete es, schob es mit der Schuhspitze zu einem Klumpen zusammen, versuchte seine Hässlichkeit zu ignorieren, versuchte seine Hässlichkeit zu deuten, drehte sich im Kreis, starrte es von oben an, kniete sich davor, roch daran, durchwühlte es mit den Fingern, stand auf, kehrte ihm den Rücken zu, entfernte sich ein paar Schritte, betrachtete es aus der Zimmerecke, kam zurück, legte sich daneben, starrte es an und stellte fest: Nichts.
Fünf Tage, einhundertzwanzig Stunden, siebentausendzweihundert Minuten, vierhundertzweiunddreißigtausend Sekunden später starb er. Schade. Er war im Kern ein netter Mensch, nur wusste er es nicht, niemand wusste es. Und niemand wird es je erfahren. Er starb wie er lebte, unauffällig. Der Tod durch Langeweile ist kein schöner, er hat keine schillernden Farben, keine prachtvollen Waffen, keinen blumigen Geschmack. Langeweile tötet geräuscharm, gemäßigt, geduldig und grau.
„Langeweile ist eine unangenehme Windstille der Seele“ Nietzsche
„In der schändlichen Menagerie unserer Laster ist eines noch hässlicher, noch bösartiger, noch schmutziger! Die Langeweile ist’s!“ Baudelaires
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