Das ist nur eine Tür, für viele bleibt sie verschlossen, für wenige ist sie eine Option, für alle ist sie ein Dämon. Der Schlüssel zu dieser Tür ist immer im eigenen Kopf, das Dahinter ist ungewiss, der Dämon bleibt hungrig…
Es wird in der Zeitung stehen, recht weit hinten irgendwo. Ein Zweispalter, wenn überhaupt. Kein Bild. Keine emotionale Zeile. Kein Name. Niemand wird weinen oder euphorisch die Hände in die Höhe reißen. Es wird nur eine unscheinbare Randnotiz sein. Aneinander gereihte Worte, Druckerschwärze auf grauem Papier, ein Haufen Pigmente, Bindemittel und chemische Lösungen, gepresst auf kurzlebiges Zellstoffgemisch. Irgendwann wird es nach Vanillin stinken und gelb sein. Zeitungen haben eine geringe Lebenserwartung.
Er sitzt vor dem Telefon, starrt auf die Wählscheibe, starrt auf den zerknitterten Zettel mit der Nummer, starrt auf seinen Arm. Der schmerzt. Er brennt, beißt, sticht, scheint sich von innen aufzulösen. Scheint ihn von innen aufzufressen. Heiße Ameisen würde er sagen, wenn ihn jemand fragte. Millionen von heißen Ameisen.
„Hallo?“
Am anderen Ende der Leitung rauscht es. Nicht stark, nicht wie ein Fluss, der zwischen steinigen Ufern dahinfließt. Auch nicht wie ein Heißluftballon, der im Himmel mit der Freiheit spielt. Dieses Rauschen ist still, es klingt nach innen, es schleicht sich heimlich durch den Kopf und hinterlässt Kälte in den Schläfen.
„Hallo. Ich brauche sie jetzt doch.“
Das Rauschen wird von einer dunklen Stimme unterbrochen. Sie nennt einen Ort, eine Zeit, drei Bedingungen. Dann wieder Rauschen, erwürgt durch hartes Auflegen. Stille. Er zündet sich eine Zigarette an, inhaliert tief, hält für Bruchteile seines Lebens die Luft an, starrt auf das Telefon, starrt auf den Zettel, zündet ihn an und beobachtet dessen Dahinscheiden im gläsernen Aschenbecher. Das Papier zuckt, windet sich, kämpft mit den Flammen und stirbt. Im Arm toben Ameisen. In den Lungen quält Rauch. Im Kopf tanzt ein Gedanke mit der Kälte. Im Aschenbecher ist es grau.
Der Himmel ist Nacht, kein Licht brennt in der Straße. Hier jaulen keine Katzen, die lieben es behaglich. Ein Mann geht langsam irgendwohin, um zwei weitere Bedingungen zu erfüllen und ein Geschenk zu bekommen. In seinem Arm wühlen sich Ameisen durch Adern und Fleisch, fräsen sich in seine Brust. Auf seiner Zunge kann er noch immer den Rauch von eben schmecken und die Zukunft von gleich. Er würde lächeln, wenn er könnte. Es wird ihn überraschen, auch wenn er Ort und Zeit kennt. Das Wie ist sein Geschenk und dieser kurze Moment des Ist. Das Danach kennt keiner, aber es trägt einen Schatten.
Ich schlage die Zeitung auf, überfliege Schlagzeilen, verweile auf Bildern, blättere weiter. Meine Augen suchen nach einer Randnotiz. Kein Foto, kein Name, keine emotionale Zeile. Und doch weiß ich, was dort stehen wird. Ein Code – verzierte Satzspitze aus Wortperlen und Textbordüre. Die Dechiffrierung kostet mich fast einen ganzen Tag, missgönnt mir einen weiteren Tag auf dieser Welt, verspricht mir einen Tag länger mit diesen Schmerzen, die meine Gedärme verdauen und nach und nach ausspucken. Dann wähle ich eine Nummer.
„Hallo. Ich brauche sie jetzt doch.“